Ein Zeichner für Gerechtigkeit
Märkische Volksstimme vom 27. April
Ein Zeichner für Gerechtigkeit
Zur Erinnerung an Karl Holtz
Vor wenigen Tagen starb 79-jährig der Zeichner Karl Holtz. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er zurückgezogen in seinem Rehbrücker Haus. Er war einst einer der Großen unter den Karikaturisten der linken Presse Deutschlands, dessen Zeichnungen treffsicher eine ganze Epoche unrühmlicher deutscher Historie persiflierten.
Schon 1916 wurde seine erste Zeichnung im damaligen "Ulk" gedruckt. Es gab einen Skandal. Der verantwortliche Redakteur wurde entlassen - englische und französische Journale hingegen druckten die Zeichnung nach: Sie hatte die schlechte Ernährungslage Deutschlands im ersten Weltkrieg kritisiert. So wurde der 17jährige Karl Holtz, der damals die Zeichenklasse des legendären Emil Orliks an der Kunstgewerbeschule in Berlin besuchte, schlagartig bekannt. Andere Zeitschriften, zunächst die "Lustigen Blätter" und der "Wieland" begannen sich für den jungen Zeichner zu interessieren. Es kam zu einer Begegnung mit Heinrich Zille.
In den Novembertagen des Jahres 1918 bekam der politisch interessierte junge Holtz Kontakt mit dem Spartakusbund, und einen Tag vor Liebknechts und Luxemburgs Ermordung wurde er kurzfristig verhaftet: Man hat in Rosa Luxemburgs Papieren einen Brief von Karl Holtz an Rosa gefunden. Zu jener Zeit erschienen auch in der von Franz Pfempfert herausgegebenen "Aktion" Karikaturen von Holtz, die das brutale Vorgehen der Reichswehr und der Freikorps anprangerten.
Mit seiner Kunst ergriff er Partei für die "Verdammten dieser Erde". Die Unmoral des Kapitals war sein großes Thema und jene Auswüchse, die in ihrem Sumpf gediehen: Schiebertum, Bürokratie, Borniertheit. Den neureichen Emporkömmlingen der Weimarer Republik gestand er nichts zu. Und so waren seine besten Karikaturen zumeist politisch.Die Blätter, für die er in den 20er Jahren arbeitete, machen gleichermaßen seine politische Orientierung und seine satirische Neigung deutlich: "Der Knüppel", "Der wahre Jacob", "Die rote Fahne", der "Vorwärts", die "AIZ", "Der Uhu", "Der Querschnitt", die "Jugend", "Lachen links".
Aber auch eine Fülle von malerischen Arbeiten und Grafiken entstand in dieser Zeit, Ergebnisse vor allem aus Bildungsreisen nach Frankreich und Italien. Und er lernte George Grosz, John Heartfield, Hans Reimann, Karl Schnog, Rudolf Schlichter, Otto Schmalhausen kennen, die er als Gleichgesinnte schätzte.
Seine Mitarbeit in der linken Presse brachte ihm 1934 das Berufsverbot als Pressezeichner ein. Haussuchungen und Verhöre bei
Nach 1945 war Karl Holtz einer der ersten, die im doppelten Wortsinn für einen antifaschistischen Wiederaufbau Deutschlands zeichneten, ganz zuerst bei der "Märkischen Volksstimme", später dann beim "Ulenspiegel", "Eulenspiegel", der "Freien Welt" und der "NBI". Zwei Auswahlbände und eine Mappe seiner Blätter brachte in den vergangenen Jahren der Eulenspiegelverlag Berlin heraus.
Der Zeichner Karl Holtz war nicht nur Satiriker, der gesellschaftliche und zwischenmenschliche Absurditäten mit unverwechselbarer Präzision in treffende Pointen umsetzte, er war vor allem Zeitchronist und Humanist, dem die Widersprüche des Lebens zu denken gaben.
Immer ging es ihm um das Wohl und Wehe seiner Zeitgenossen, auch dort, wo sie versagten, und er sie mit seinen Zeichnungen zur Verantwortung zog. Er war ein Gerechter, der den Menschen trotz mancher Bitternis zugetan blieb.
Sonja Schnitzler